Zivilbevölkerung in Gaza schützen: Forderungen an den Bundesrat
Angesichts der sich täglich verschärfenden humanitären Krise im Gazastreifen und der drohenden Gefahr einer ethnischen Säuberung oder eines Völkermords wendet sich das Forum für Menschenrechte in Israel/Palästina, ein Zusammenschluss aus 13 Schweizer Nichtregierungsorganisationen, an den Bundesrat. Wir fordern die Schweiz dazu auf, ihre Verpflichtungen als Unterzeichnerstaat der UNO-Völkermordskonvention und als Depositarstaat der Genfer Konventionen wahrzunehmen und entschlossen auf einen unbefristeten Waffenstillstand hinzuwirken.
In den letzten Wochen und Tagen haben mehrere internationale Organisationen Berichte und Statements veröffentlicht, die die lebensbedrohliche Lage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen deutlich machen. Sie warnen davor, dass sich die Situation täglich verschlimmert, sofern Israel nicht schnellstmöglich einen verbesserten und sicheren Zugang für humanitäre Hilfe ermöglicht und eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung zulässt. Gemäss Welternährungsprogramm (WFP) ist die gesamte Bevölkerung von Gaza mittlerweile von einer akuten Hungerkrise bedroht, wobei sich die Hälfte bereits in einer Notsituation befindet.
Berichten der UNO-Koordination für Humanitäre Angelegenheiten (UNOCHA) zufolge wurden 85% der Bevölkerung Gazas durch israelische Angriffe oder Evakuierungsaufforderungen (oft mehrmals) intern vertrieben. Sie leben nun auf engstem Raum in improvisierten Unterkünften, was auch die gesundheitlichen Risiken erhöht. Besonders alarmierend ist, dass verschiedene Mitglieder der israelischen Regierung wiederholt die PalästinenserInnen verbal entmenschlicht oder zur totalen Zerstörung des Gazastreifens und zur Umsiedlung der palästinensischen Bevölkerung in Drittstaaten aufgerufen haben.
Vor diesem Hintergrund haben am 16. Januar acht UNO-Sonderbeauftragte ein gemeinsames Statement veröffentlicht, in dem sie vor der Gefahr eines drohenden Völkermordes warnen. Auch renommierte Experten wie der israelisch-amerikanische Holocaustforscher Omer Bartov erkennen klare Anzeichen für ethnische Säuberung und unterstreichen, dass gehandelt werden muss, bevor sich die Situation zu einem Völkermord entwickelt. Die von der Schweiz unterzeichnete Völkermordkonvention definiert unter anderem die «vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen», als Völkermord und verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, Völkermord zu verhindern und zu bestrafen.
Das Forum für Menschenrechte in Israel/Palästina ist zutiefst besorgt über die dramatische Situation in Gaza und bittet die Schweiz, die Warnungen vor einem Völkermord und der Gefahr einer ethnischen Säuberung ernst zu nehmen. Es fordert die Schweiz auf, ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen wahrzunehmen und Massnahmen gegen diese Gefahr zu ergreifen.
Am 12. Januar erinnerte die Schweiz im UNO-Sicherheitsrat mit Blick auf die Geschehnisse in Gaza daran, dass die Genfer Konventionen Zwangsumsiedlungen von Menschen verbieten und solche Umsiedlungen ein Kriegsverbrechen darstellen. Zudem verurteilte sie Aufrufe zur Vertreibung von ZivilistInnen aus dem besetzten palästinensischen Gebiet und betonte die Notwendigkeit eines dauerhaften humanitären Waffenstillstands. Das Forum begrüsst diese Intervention sehr.
Angesichts der dramatischen Situation erachten wir folgende zusätzliche Massnahmen als dringend notwendig:
Die Schweiz soll sich innerhalb und ausserhalb des UNO-Sicherheitsrates entschlossen und öffentlich für einen dauerhaften Waffenstillstand einsetzen und den Druck auf die Konfliktparteien zur Einstellung der Feindseligkeiten auch bilateral erhöhen. Nur mit einem Waffenstillstand können die Menschen im Gazastreifen von der lebensnotwendigen humanitären Hilfe erreicht und eine Ausweitung der humanitären Katastrophe verhindert werden.
Mit Verweis auf seine völkerrechtliche Verpflichtung, einen möglichen Völkermord zu verhindern und zu bestrafen, wirft Südafrika Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) der Vereinten Nationen Völkermord an den PalästinenserInnen im Gazastreifen vor. Um einem allfälligen Völkermord bereits während der Verfahrensdauer vorzubeugen oder ihn zu unterbinden, hat Südafrika Sofortmassnahmen durch den IGH zur sofortigen Beendigung der Kriegshandlungen beantragt. Wir fordern die Schweiz als Vertragsstaat der Völkermordskonvention dazu auf, den IGH beim betreffenden Verfahren bei Bedarf zu unterstützen. Zudem fordern wir die Schweiz dazu auf, Südafrikas Forderung nach präventiven Sofortmassnahmen zur Prävention eines Genozids zu unterstützen.
Verschiedene Vertragsparteien der Genfer Konventionen rufen die Schweiz als Depositarstaat dazu auf, eine dringliche Konferenz der Hohen Vertragsparteien der Genfer Konvention einzuberufen, um über die systematischen Verletzungen insbesondere der vierten Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung im Gazakrieg zu beraten. Da die Verletzungen der Genfer Konventionen durch alle Konfliktparteien unbedingt adressiert werden müssen, unterstützt das Forum für Menschenrechte in Israel/Palästina und Frieda diese Forderung.
Frieda ist Teil des Forum für Menschenrechte in Israel/Palästina
Diese Stellungnahme ist vom Forum für Menschenrechte in Israel/Palästina. Frieda ist Mitglied des Forums für Menschenrechte in Israel/Palästina, ein Zusammenschluss von 14 Organisationen in der Schweiz, die sich für einen menschenrechtsbasierten Ansatz im israelisch-palästinensischen Konflikt einsetzen.