Gewächshäuser, in denen mehr wächst als Gemüse

Lumturije Hyseni startete letztes Jahr dank der Unterstützung von Frieda-Spender*innen ihren kleinen Gemüsebau-Betrieb.
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Lumturije Hysenis Schwiegereltern glaubten nicht daran, dass jemand ohne die «richtigen» Beziehungen die Chance bekäme, bei einem Projekt wie dem der Frieda-Partnerorganisation IADK (Initiative for Agricultural Development of Kosovo) mitzumachen. Zwar demotivierte dies Lumturije. Aber der Wunsch, etwas in ihrem Leben zu ändern, war stärker als die Vorbehalte. Und sie wusste, dass ihr Mann Ramiz Krasniqi (36) hinter ihr stand und sie unterstützen würde. Er war es auch, der über einen Freund vom Projekt Lulëzim – Aufblühen erfuhr – und seine Frau ermutigte, sich zu bewerben.  

Zuhause fast verkümmert

Ramiz Krasniqi (36) hatte verstanden, in welch verzweifelter Lage sich seine Frau befand. Lumturije Hyseni erinnert sich: «Ich habe das Wirtschaftsgymnasium abgeschlossen, konnte aber aus finanziellen Gründen nicht studieren. So heiratete ich mit 20 und zog zu meinem Mann in ein anderes Dorf. Bald nach meiner Hochzeit kam das erste Kind, kurz darauf das zweite. Beide Kinder sind behindert, sie haben Entwicklungsverzögerungen. Ich war nicht vorbereitet auf meine Rolle als Ehefrau und Mutter. Das Einleben in eine andere Familie mit fremden Gewohnheiten war sehr hart. Mein Alltag bestand darin, mich um unsere behinderten Kinder und den Haushalt zu kümmern. Ich verliess kaum das Haus und hatte keinen Kontakt zu Menschen im Dorf. Für sie war ich «die Fremde». Einerseits war ich gestresst wegen des Gesundheitszustands meiner Kinder und der Ablehnung, die ich erfuhr. Andererseits langweilte ich mich zuhause und war einsam.»

Lumturije Hyseni hatte nichts zu verlieren, also bewarb sie sich beim Projekt Lulëzim – Aufblühen. Und wurde aufgenommen. Sie erfüllte die Richtlinien des Projekts, das die Kandidat*innen nach strengen, objektiven Kriterien auswählt: «Unsere Teilnehmenden müssen auf dem Land leben, sollten bereits Zugang zu einer landwirtschaftlichen Fläche wie einem Garten oder Feld haben, dürfen nicht auf dem regulären Arbeitsmarkt tätig sein und nur über begrenzte Berufserfahrung verfügen. Wichtig ist ausserdem, dass sie eine eigene Idee einbringen, was sie in Zukunft anbauen oder produzieren möchten, und die Landwirtschaft als ernsthafte Zukunftsperspektive betrachten», erklärt Hafize Veseli, Projektleiterin bei unserer Partnerorganisation IADK. Gemeinsam mit ihrem Team legt sie grossen Wert auf die Auswahl der Teilnehmenden nach sachlichen Kriterien, um Korruption und Vetternwirtschaft zu verhindern.

Die Saat der Hoffnung

Gemeinsam mit anderen Frauen und jungen Menschen absolvierte Lumturije Hyseni eine landwirtschaftliche Berufsbildung in Gemüsebau und konnte sich in diesem Rahmen weitere berufliche Kompetenzen – zum Beispiel zur Verarbeitung und Vermarktung ihrer Produkte – aneignen. Ziel des Projekts ist es, dass die Teilnehmenden nach Ausbildungsabschluss entweder fest auf einem Hof angestellt werden oder mit dem Verkauf ihrer eigenen Produkte ein Einkommen erwirtschaften können. Im Jahr 2020 lag die Arbeitslosenquote im Kosovo gesamthaft bei 26 %, unter den Frauen waren sogar 32 % arbeitslos. Die Nichterwerbsquote lag bei 62 %, bei Frauen 79 %. Gerade in abgelegenen, ländlichen Gebieten gibt es wenig geregelte Arbeitsplätze. Umso wichtiger ist die Eigeninitiative.

Auf dem Weg zum eigenen Betrieb haben Frauen jedoch einige Hürden zu überwinden:

  • Land wird innerhalb der Familien meist an Männer vererbt. Kein Land zu besitzen bedeutet, dass Frauen kaum Kredite als Startkapital erhalten.

  • Geschlechterstereotypen und soziale Normen hindern Frauen daran, eigene Landwirtschaftsbetriebe zu gründen. Man traut ihnen die schwere Arbeit nicht zu und Landwirt*in sein gilt als «unweiblich».

  • Übermässige unbezahlte Care- und Haushaltsarbeit verhindert, dass Frauen die Zeit haben, einer bezahlten Arbeit nachzugehen.

  • Fehlendes Wissen, z. B. wie man staatliche Subventionen beantragen kann, die Unkenntnis der eigenen Rechte sowie ihre Isolation zuhause schliessen Frauen aus dem sozialen und politischen Leben sowie aus der Wirtschaft aus.  

Eine Frau blüht auf

Wie die anderen Teilnehmenden erhielt Lumturije Hyseni finanzielle Unterstützung für den Bau ihres Gewächshauses, für ein Bewässerungssystem und die Salat-Setzlinge für die erste Saison. «Das Treibhaus und der Gemüseanbau haben einen positiven Effekt auf mein Leben. Ich liebe es, mein Gemüse zu hegen, zu pflegen und Neues auszuprobieren. Das Gemüse wachsen zu sehen, erfüllt mich mit Stolz und Freude – ebenso wie die Rückmeldungen meiner Kund*innen aus der Nachbarschaft. Sie loben die Qualität meines Gemüses. Im ersten Jahr habe ich mit Salat gestartet. Jetzt baue ich Peperoni und Zwiebeln an. Nächstes Jahr kommen Tomaten und Gurken dazu», berichtet sie stolz.

Von den Einnahmen aus ihrem Gemüseanbau kann Lumturije Hyseni mittlerweile wichtige Gesundheitskosten für ihre Kinder decken und entscheidend zum Familieneinkommen beitragen. Sie möchte ihren Gemüseanbau-Betrieb bald erweitern und eine erste Mitarbeiterin einstellen. Damit die Saat der Hoffnung auf ein besseres Leben nicht nur für sie selbst, sondern auch für andere Frauen aufgeht.

Warum unterstützt Frieda landwirtschaftliche Einkommensförderung für Frauen?

Patriarchal geprägte Normen sind verantwortlich dafür, dass Frauen im Kosovo stark benachteiligt sind. Sie sind meist schlechter ausgebildet als Männer. Da Frauen traditionellerweise zur Familie ihres Ehemannes ziehen und sich um die Schwiegereltern kümmern müssen, sehen Familien die Ausbildung ihrer Töchter oft als unnötig an. Frauen sind seltener im Erwerbsleben aktiv und haben die Hauptlast an unbezahlter Care- und Hausarbeit zu tragen.

Dank landwirtschaftlicher Ausbildung ein regelmässiges Einkommen zu verdienen, verbessert die gesellschaftliche und ökonomische Position von Frauen. Sie können so entweder zum Familieneinkommen beitragen oder – falls sie ledig oder alleinerziehend sind – finanziell auf eigenen Beinen stehen. Dies fördert ihre Unabhängigkeit sowie ihre soziale Einbindung, steigert ihr Selbstbewusstsein und ihr Ansehen in den Familien und Gemeinden. Zusätzlich zur Ausbildung lernen die Frauen ihre Rechte kennen – ihre soziale und politische Mitsprache wird gefördert.

Ostermarsch

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