Gespräch über Frieden

Wir haben mit Frauen aus verschiedenen Frieda-Programmregionen über Feminismus und Frieden gesprochen. Darüber, was Frieden konkret heisst, wie sie Frieden verstehen und erleben. Das Online-Gespräch leitete Lisa Joanne Bissegger, Programmverantwortliche feministische Friedenspolitik bei Frieda. Die Gesprächspartnerinnen aus den verschiedenen Ländern haben eindrücklich dargelegt, dass Frieden viel mehr ist als die Abwesenheit von Krieg. So schreibt Maria Namuma Heise, ehemalige Teilnehmerin des Frieda-Berufsmentoring-Programms, aus der Schweiz: «Frieden bedeutet für mich, als gleichberechtigter Mensch mit Verstand und Gefühlen behandelt zu werden.» Rafah Anabtawi, Direktorin der Frieda-Partnerorganisation Kayan in Israel, schickte dem Gespräch voraus, es sei für sie schwierig, über Frieden zu sprechen: «Leider geht es in unserem Wortschatz meist um Krieg statt um Frieden.» Die Frage drängt sich auf: Kämen wir Frieden näher, wenn wir mehr Begriffe dafür hätten? Wenn wir öfter darüber sprächen, uns mehr Gedanken dazu machten? Das ist zumindest einen Versuch wert.

Frieden heisst im Wesentlichen, sich sicher zu fühlen, physisch, wirtschaftlich, emotional, sozial. Sicherheit ist eng mit den Menschenrechten verknüpft, betont Sawsan Alwahsh, Teilnehmerin und Freiwillige im Projekt Iradatuna – Wir wollen, aus Palästina: «Ich fühle mich sicher, wenn meine Menschenrechte gewahrt sind, wenn ich ein anständiges Leben führe, einen guten Job und gleiche Chancen wie Männer habe.» Und sie ergänzt: «Dazu gehören auch die Rechte meiner Kinder. Der Staat muss gute Schulen, eine gute Bildung, Pärke und eine sichere Umgebung für Kinder bereitstellen. Jetzt fehlen sichere Orte, wo sie sich treffen, spielen, unterhalten können.» Mit spürbarer Sorge wartete Sawsan Alwahsh während des Gesprächs auf ihre nach der Schule verspäteten Kinder.
Kein Krieg ist noch kein Frieden
Damit die Menschenrechte, auf denen Sicherheit und Frieden beruhen, tatsächlich respektiert und geschützt werden, müssen Regeln durchgesetzt werden. «Es muss Konsequenzen haben, wenn Gesetze nicht eingehalten werden. Wenn jemand für das Verletzen des Gesetzes nicht zur Rechenschaft gezogen wird, wird sich nichts ändern.» so Ajla Kamerić, Freiwillige bei der Frieda-Partnerorganisation Amica Educa in Bosnien-Herzegowina. «Wenn Leute merken, dass sie ohne Folgen die Gesetze missachten können, werden die Gesetze immer weniger eingehalten.»
Die Abwesenheit von Krieg reicht nicht aus, aber sie ist unabdingbare Voraussetzung für einen vollständigen Frieden. Herrscht Krieg, muss alles darangesetzt werden, einen Waffenstillstand zu erreichen und ein Friedensabkommen zu schliessen. Frieden ist nur möglich, wenn die Waffen schweigen.
Selma Bajramovic, Projektkoordinatorin der Frieda-Partnerorganisation Vive Žene in Bosnien-Herzegowina schildert einen Zustand von negativem Frieden: «Frieden heisst für viele bei uns, dass kein Krieg ist. Ich glaube, Frieden ist das Wertvollste, das Leute haben. Ich habe im Krieg gelebt und weiss, was Krieg bedeutet. Aber jetzt leben wir in sehr unsicherem Frieden. Es gibt dauernd viel Gewalt, insbesondere Gewalt gegen Frauen. Kürzlich wurden in Bosnien-Herzegowina zwei Frauen von ihren Partnern ermordet, eine weitere wurde fast ermordet. Das Frauenhaus, in dem ich arbeite, ist voll. Auch zwei junge Mädchen sind da, die von ihren Vätern vergewaltigt wurden. Können wir von Frieden reden, wenn Frauen in einer so schlechten Lage sind? Ich glaube nicht.» Rafah Anabtawi ergänzt: «Wenn Frauen in ihren Rechten stark eingeschränkt sind, ihre Meinung nicht frei sagen können und um ihre Grundrechte kämpfen müssen, dann ist Frieden unvollständig. Feministischer Frieden ist eine Kombination von Faktoren auf politischer und gesellschaftlicher Ebene.»
Wirtschaftliche Sicherheit, finanzielle Unabhängigkeit
Finanzielle Unabhängigkeit ist für alle ein zentraler Faktor. «Ich fühle mich sicher, wenn ich wirtschaftlich unabhängig und nicht von einem Mann abhängig bin. Ich brauche meine Freiheit und meine finanzielle Eigenständigkeit.» sagt Sawsan Alwahsh. In einem städtischen Umfeld ist es Frauen eher möglich, mit Erwerbsarbeit eigenes Geld zu verdienen. In ländlichen Gebieten sind die Hürden höher, die Möglichkeiten geringer.
Aber auch wenn eine Frau einer Erwerbsarbeit nachgeht, ist sie immer noch für die ganze Hausarbeit zuständig. Oft ist sie Kritik und Kontrolle ausgesetzt, ergänzt Sawsan Alwahsh: «Wenn es unordentlich ist, sie nicht gekocht, ihre Kinder nicht gewaschen hat, wird sie beschuldigt. Die Leute um sie herum stecken ihre Nasen in ihr Leben.» Viele Frauen lassen es gar nicht so weit kommen. Sie kennen die Konsequenzen freier Entscheidungen und haben die ungeschriebenen Regeln seit frühester Kindheit verinnerlicht. «Sie haben von Anfang an im Kopf, Lehrerin zu werden, weil sie wissen, dass dies einfacher und leichter mit dem Familienleben zu vereinbaren ist. Eine Frau muss sich überlegen, was passiert, wenn sie heiratet, wenn sie schwanger wird, wenn ihr Mann sie nicht unterstützt. Über all diese Dinge denken Männer im Allgemeinen nicht nach», führt Rafah Anabtawi aus. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflussen stark, wie Frauen sich im Leben entscheiden.
Beim Zugang zum Arbeitsmarkt sind auch in der Schweiz migrantisierte und Schwarze Frauen mit hohen Barrieren durch rassistische Vorurteile konfrontiert, wie Maria Namuma Heise schildert: «Es kommt zu Diskriminierung, wenn es um Karrierenetzwerke geht, und zu einer falschen Umsetzung von Diversität und Inklusion. In der Schweiz herrscht Ungleichheit und Ungerechtigkeit in Form einer Hierarchie von Diversität. Es bestehen sehr grosse Zweifel daran, dass eine Schwarze Person gute Leistungen erbringen kann.»
Mitsprache und Partizipation
Auch Mitsprache und Partizipation sind wesentliche Elemente eines umfassenden feministischen Friedens. Diese sind für Migrant*innen in der Schweiz sehr begrenzt, wie Valentina Pagani, ehemalige Teilnehmerin des Berufsmentoring-Programms von Frieda, erfahren hat: «Im privaten und familiären Bereich habe ich völlige Meinungsfreiheit. Auf der Quartierebene habe ich jedoch nicht viele Möglichkeiten, mich zu beteiligen. Aufgrund von Sprachbarrieren oder kulturellen Unterschieden kann es sehr schwierig sein, in einem Verein mitzumachen. Es braucht mehr Räume mit weniger hierarchischen Strukturen, um sich offener beteiligen zu können.»
Auch für Ajla Kamerić in Bosnien-Herzegowina gehört zum Frieden, dass sie sich frei äussern kann, ohne abgewertet, zurechtgewiesen oder in stereotype Rollenmuster gepresst zu werden. Mit ihrem Engagement bei Amica Educa gehe es ihr darum, sich für eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft hin zu mehr Gleichstellung, gleichen Rechten und gleichen Möglichkeiten einzusetzen.
Der Austausch über ähnliche und kontextspezifisch unterschiedliche Erfahrungen mit ( Un )Frieden haben uns einander nähergebracht und uns gestärkt im gemeinsamen Engagement.
Wir haben mit Frauen aus verschiedenen Frieda-Programmregionen über Feminismus und Frieden gesprochen. Darüber, was Frieden konkret heisst, wie sie Frieden verstehen und erleben. Das Online-Gespräch leitete Lisa Joanne Bissegger, Programmverantwortliche feministische Friedenspolitik bei Frieda. Die Gesprächspartnerinnen aus den verschiedenen Ländern haben eindrücklich dargelegt, dass Frieden viel mehr ist als die Abwesenheit von Krieg. So schreibt Maria Namuma Heise, ehemalige Teilnehmerin des Frieda-Berufsmentoring-Programms, aus der Schweiz: «Frieden bedeutet für mich, als gleichberechtigter Mensch mit Verstand und Gefühlen behandelt zu werden.» Rafah Anabtawi, Direktorin der Frieda-Partnerorganisation Kayan in Israel, schickte dem Gespräch voraus, es sei für sie schwierig, über Frieden zu sprechen: «Leider geht es in unserem Wortschatz meist um Krieg statt um Frieden.» Die Frage drängt sich auf: Kämen wir Frieden näher, wenn wir mehr Begriffe dafür hätten? Wenn wir öfter darüber sprächen, uns mehr Gedanken dazu machten? Das ist zumindest einen Versuch wert.
Frieden heisst im Wesentlichen, sich sicher zu fühlen, physisch, wirtschaftlich, emotional, sozial. Sicherheit ist eng mit den Menschenrechten verknüpft, betont Sawsan Alwahsh, Teilnehmerin und Freiwillige im Projekt Iradatuna – Wir wollen, aus Palästina: «Ich fühle mich sicher, wenn meine Menschenrechte gewahrt sind, wenn ich ein anständiges Leben führe, einen guten Job und gleiche Chancen wie Männer habe.» Und sie ergänzt: «Dazu gehören auch die Rechte meiner Kinder. Der Staat muss gute Schulen, eine gute Bildung, Pärke und eine sichere Umgebung für Kinder bereitstellen. Jetzt fehlen sichere Orte, wo sie sich treffen, spielen, unterhalten können.» Mit spürbarer Sorge wartete Sawsan Alwahsh während des Gesprächs auf ihre nach der Schule verspäteten Kinder.
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Frieda führt langjährige Programme in Nahost, im Maghreb und in Südosteuropa durch, die sich an Frauen, Kinder und Jugendliche richten. Viele Teilnehmende erfahren Mehrfachdiskriminierung und soziale Ausgrenzung. Ziel ist es, Gewalt zu verringern und die Betroffenen zu stärken.
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