Für ein Leben ohne Stigmatisierung
Naima Ouaziz lernte einen jungen Mann kennen und wurde von ihm schwanger war. Gleich darauf packte der Kindsvater seine Sachen und ging weg. Damit stand auch Naima Ouaziz alleine da. Sie brachte ihre Tochter in einem Frauenhaus für unverheiratete Mütter zur Welt. Allerdings hat ihr das Frauenhaus keine Geburtsbestätigung ausgestellt, die für die zivilrechtliche Registrierung ihrer Tochter verlangt wird. Ohne diese Registrierung bleiben den Kindern die Schule, eine Ausbildung und die Bürgerrechte verwehrt. In Marokko gilt auch heute noch die Ehe als der einzig richtige Weg, eine Familie zu gründen. Nur wenn die Eltern verheiratet sind, hat ein Kind offiziell einen Vater. Da die zivilrechtliche Registrierung über den Vater und seinen Namen läuft, werden ausserehelich geborene Kinder diskriminiert.
Einige Monate später in einem Bus hörte Naima Ouaziz Frauen über die Schwierigkeiten unverheirateter Mütter sprechen, ihre Kinder beim Zivilstandsamt zu registrieren. «Als der Bus hielt und die junge Frau ausstieg, folgte ich ihr und sprach sie an. Ich erfuhr, dass sie bei ALCS, der Association de lutte contre le Sida, arbeitet und erzählte ihr meine Situation. Sie gab mir ihre Telefonnummer und lud mich ein vorbeizukommen. So kam ich zu ALCS.»
Individuelle Begleitung
In den Beratungsstellen der cfd-Partnerorganisation ALCS finden Frauen in ähnlichen Situationen wie Naima Ouaziz umfassende Betreuung und Unterstützung. ALCS ist eine gut verankerte Gesundheitsorganisation mit Fokus HIV/Aids-Prävention und ausgerichtet auf Risikogruppen wie Sex-arbeiter*innen, LGBTIQ-Personen und drogenabhängige Menschen. Betroffene von geschlechtsspezifischer Gewalt und Sexarbeiter*innen erhalten zusätzlich zu medizinischen Dienstleistungen je nach Bedürfnissen auch psychosoziale, juristische und administrative Unterstützung. Im Rahmen des cfd-Projekts Chams – Sonne ergänzt ALCS seine Anlauf- und Beratungsstellen in Marrakesch, Tanger und Agadir für Betroffene von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt ( SGBV ), hauptsächlich für Sexarbeiter*innen mit den erwähnten Dienstleistungen.
Naima Ouaziz wurde erstmal darin unterstützt, ihre Tochter beim Zivilstandsamt registrieren zu lassen, damit sie eine offizielle Existenz und einen Identitätsausweis erhält – und damit auch Bürgerrechte hat. «Dank dieser Registrierung kann meine Tochter als marokkanische Staatsbürgerin zur Schule und zur Universität gehen wie andere Kinder. Ohne diese zivilrechtliche Registrierung hätte sie keinen Zugang zu Bildung.», sagt Naima Ouaziz erleichtert. Ausserehelich geborene Kinder in Marokko werden oft nicht registriert, weil den unverheirateten Müttern grosse Hürden im Weg stehen. In vielen Fällen sind sie selbst ausserhalb einer Ehe geboren und besitzen keine Papiere. Dazu kommen oft fehlende oder sehr rudimentäre Bildung und Wissen. Das führt dazu, dass unverheiratete Mütter in Marokko oft höchst vulnerabel sind, viele stecken in einem Teufelskreis. Wollen sie ihre Kinder registrieren, werden sie zum Beispiel von den Beamt*innen abgewimmelt, weil ihnen Informationen über ihre Rechte und Möglichkeiten fehlen, oder es fehlt, wie bei Naima Ouaziz, eine Geburtsurkunde. Das Beschaffen der nötigen Papiere und das Überwinden der administrativen Hürden ist ein Teil der Unterstützung, die das Projekt Chams – Sonne leistet.
Sensibilisierung und Selbsthilfegruppen
Selbstbefähigung ist der Schlüssel, wenn es darum geht, dass die Frauen für sich und ihre Rechte einstehen. Deshalb ist unter anderem das Vermitteln von Informationen und Wissen über Grundrechte ein wichtiger Teil des Projekts Chams – Sonne. Zusammen mit anderen Projektteilnehmerinnen nimmt Naima alle zwei Wochen an den themenbezogenen Informationssitzungen teil. In diesen Gesprächen erhalten die Frauen wichtige Informationen zu Themen wie Sexualität der Frau, Gewalt gegen Frauen, Rechte von Kindern von unverheirateten Müttern sowie sexuelle und reproduktive Gesundheit. Dank dem neuen Wissen können sie besser mit geschlechtsspezifischer Gewalt umgehen. Sie lernen beispielsweise, Gewalt als solche zu erkennen und sich zu schützen. Oder für ihre Rechte einzustehen, wenn es um die Zusammenarbeit mit den Behörden geht. Sie entwickeln nach und nach ihre Stärken und lernen, ihre eigenen Ressourcen zu aktivieren, um schliesslich mehr Selbstbestimmung zu erlangen.
Naima Ouaziz beschreibt dies so: «Seit ich diese Aktivitäten besuche, fühle ich mich stärker, ich kann meine Rechte einfordern und bin selbstsicherer geworden.» Naima Ouaziz lebt mit ihrer Tochter Rashida in einem Zimmer. Mit Gelegenheitsarbeiten in Privathaushalten hält sie sich über Wasser, in besonders schwierigen Zeiten auch dank Unterstützung durch Nahrungsmittel und Baby-Windeln von ALCS. «Mein Traum ist eine feste Arbeit, mit der ich für meine Tochter und mich sorgen kann. Ich wünsche mir, ohne Diskriminierung und Stigmatisierung zu leben, auch wenn ich Sexarbeiterin und unverheiratete Mutter bin.»
Mehr zu Friedas Partnerorganisationen
Erfahren Sie mehr zu Friedas Arbeit im Projekt Chams – Sonne und der Partnerorganisation Association de lutte contre le Sida ALCS, die Nouria begleitet hat.
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