Feministisches Engagement und transnationale feministische Solidarität in Kriegszeiten (Teil 2)

Wie ist feministische Arbeit in Israel und Palästina nach über einem Jahr Krieg überhaupt noch möglich? Wir haben bei unseren Partnerorganisationen nachgefragt, was sich verändert hat und mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert sind.
Illsutration von Frieda zur feministischen Friedenspolitik

Leid, Zerstörung, Repression und Verluste prägten das letzte Jahr in Israel und Palästina. Die militärische Gewalt gegen die Zivilbevölkerung hat ungleiche gesellschaftliche Machtverhältnisse verstärkt und das System patriarchaler Dominanz vertieft.  

Wie hat sich feministische Arbeit unter diesen Bedingungen verändert? Ist feministische Arbeit nach über einem Jahr Krieg überhaupt noch möglich? Und was könnten feministische und friedenspolitische Bewegungen in der Schweiz tun, um sie zu unterstützen? Diese Fragen haben wir unseren Partnerorganisationen in Israel und dem besetzten palästinensischen Gebiet letzten Herbst gestellt. Die Expertinnen von drei Partnerorganisationen haben uns ihre Einschätzungen und Erfahrungen zu diesen dringenden Fragen mitgeteilt.   

In Anbetracht der diversen Gewaltformen und Herausforderungen, gegen welche die Frieda-Partnerorganisationen in Israel und Palästina ankämpfen, haben wir nachgefragt, wie feministische und friedenspolitische transnationale Solidarität aussehen könnte. Was erwarten unsere Partnerorganisationen von feministischen und friedenspolitischen Organisationen und Bewegungen in der Schweiz? Wie können wir uns untereinander solidarisch zeigen?

Verbindung von Kämpfen – Feministische und friedenspolitische transnationale Solidarität

Es ist wichtig, dass feministische Organisationen und Bewegungen ein offenes Ohr für die spezifischen Bedürfnisse von Frauen haben und sich dabei gleichzeitig der sozialen und politischen Unterschiede ihrer Lebensrealitäten bewusst sind, wie eine der Partnerorganisationen betont. Zudem erfordere feministische Solidarität einerseits, Räume zu schaffen, in denen palästinensische Frauen ihre eigene politische Handlungsfähigkeit wahrnehmen können, ihre unterschiedlichen Perspektiven einbringen und ihre Stimmen gegen die von ihnen identifizierten Gewaltformen erheben können. Solidarität erfordere andererseits, unabhängig von nationalen Grenzen zusammenzustehen, um die humanitäre Katastrophe in Palästina anzugehen, um für ein definitives Ende des Krieges im Gazastreifen, für den Frieden und für die sichere Rückkehr der Vertriebenen einzutreten. Für alle der befragten Partner*innen beinhaltet transnationale Solidarität daher, dass sich feministische und friedenspolitische Organisationen in der Schweiz sowohl solidarisch zeigen mit dem Engagement palästinensischer Frauenrechtsorganisationen gegen Geschlechterungerechtigkeit wie auch mit deren gleichzeitigen Einsatz für die Beendigung des Krieges und der israelischen Besatzungspolitik. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese verschiedenen Unterdrückungsformen miteinander verwoben sind und gleichzeitig bekämpft werden müssen.

Ein wichtiger Schritt in diesem Prozess ist die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Feministische, friedenspolitische Organisationen und soziale Bewegungen in der Schweiz können dazu beitragen, Dokumentationen von Menschenrechtsverletzungen zu verbreiten. So können hiesige Entscheidungsträger*innen besser über die Auswirkungen des Krieges auf das Leben der Palästinenser*innen aufgeklärt werden. Um auf ein Ende der Gewalt und der israelischen Besatzungspolitik hinzuwirken, ist es laut den Frieda-Partnerorganisationen unerlässlich, Druck auf die Schweizer Regierung auszuüben, damit diese auf die Durchsetzung des humanitären Völkerrechts und die Umsetzung der Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs und des Internationalen Strafgerichtshofs besteht. Die Gewährleistung der palästinensischen Selbstbestimmung und die Achtung der Forderungen der internationalen Gerichte sind von entscheidender Bedeutung – nicht nur, um palästinensische und israelische Zivilist*innen vor weiterem Schaden zu bewahren, sondern auch, um zu beweisen, dass die internationale Rechtsordnung fähig ist, Frieden und Gerechtigkeit für alle zu bringen. Um das Bewusstsein für die aktuelle Notlage in der breiten Öffentlichkeit weiter zu schärfen, sollten zudem kontinuierlich Aufklärungskampagnen, Veranstaltungen und Bildungsprogramme organisiert werden. Geschlechtsspezifische Auswirkungen von Krieg sollten stärker von den Medien aufgegriffen und angemessen thematisiert werden.

Darüber hinaus ist direkte materielle und immaterielle Unterstützung laut den Frieda-Partnerorganisationen in Israel und Palästina wichtiger denn je. Der aktuelle Krieg hat unzählige friedenspolitische Errungenschaften, auch feministische, zunichte gemacht. So wurde das Frauenhaus im Gazastreifen, das von der Frieda-Partnerorganisation geleitet wurde, bereits Ende 2023 so stark bombardiert, dass es unbewohnbar wurde. Es braucht dringend humanitäre Massnahmen, die auf unsichtbar gemachte geschlechtsspezifische Bedürfnisse von Mädchen, Frauen und Minderheiten eingehen. In Anbetracht der immensen Zerstörung betonen  unsere Partner*innen im Gazastreifen die Wichtigkeit, dass die Unterstützung den ganzen Familien der Frauen, Mädchen und Minderheiten zugutekommen. Darüber hinaus plädieren sie dafür, Projekte zu unterstützen, die sich auf die Stärkung der Selbstbestimmung, die Dokumentation von Rechtsverletzungen und die Interessenvertretung in ihren Gemeinden fokussieren. Aber auch auf Projekte, die wirtschaftliche, soziale und psychosoziale Selbstbefähigung palästinensischer Frauen fördern. Dafür müssen in erster Linie Initiativen von lokalen Frauenrechtsorganisationen und feministischen Bewegungen finanziert werden. Nebst der materiellen Unterstützung ist es notwendig, dass sich feministische Organisationen und Bewegungen über die Grenzen hinweg an einem Austausch von Ressourcen und Fachwissen beteiligen können.

Schliesslich wird, wie eine der Expertinnen formuliert, diese Solidarität mit den palästinensischen Frauen und die Unterstützung ihrer Forderungen nach Gerechtigkeit und Frieden dazu beitragen, dass die globale Bewegung für Gleichberechtigung, Menschenrechte in Israel und Palästina sowie für das Ende von Gewalt und Unterdrückung in Palästina gestärkt wird.

Teil 1 dieses Textes lesen Sie hier: Feministisches Engagement und transnationale feministische Solidarität

Ostermarsch

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