Ein Feminizid kann jede Frau treffen

In den letzten Jahren kam es in Israel zu einem Anstieg von Feminiziden. Dagegen engagiert sich unsere Partnerorganisation Kayan – Palestinian Feminist Organization – dank Ihrer Unterstützung.
Mord ohne Vorwarnung
Am 12. Juni 2022 wurde Samar Toubia von ihrem Ehemann in ihrem Haus erstochen – vor den Augen ihrer Tochter. Samar Toubia stammte aus Haifa, einer modernen, pulsierenden Grossstadt, und lebte in einem Mittelschichtsquartier, ihre Familie gehört der römisch-katholischen Kirche an. Sie arbeitete in einem Einkaufszentrum und lebte getrennt von ihrem Mann in einem Haus mit ihrer Tochter. Samar Toubia hatte keine Anzeige oder Beschwerde gegen ihren Ehemann wegen häuslicher Gewalt erstattet wie die Nachforschungen von Kayan bei Stadtverwaltung, Sozialamt und Polizei ergaben. Ihre Ermordung schockierte ihre Familie, ihre Arbeitskolleg*innen und die Menschen in ihrer Gemeinde zutiefst. Die Lokalmedien beschäftigte die Frage, warum eine Frau aus dieser Gegend und mit diesem sozio-ökonomischen Hintergrund auf so grausame Weise ermordet wurde.

Kayan gab über die sozialen Medien eine Erklärung zu Samar Toubias Ermordung ab und rief Aktivist*innen und die Öffentlichkeit dazu auf, an ihrer Beerdigung teilzunehmen. Rund 300 Personen folgten dem Aufruf. Damit unterstützten sie die Familie des Opfers und protestierten gegen Feminizide. Die Präsenz von Aktivist*innen zeigt, dass Frauen nicht allein sind, und dass diese Tötungen aufhören müssen. Unsere Partnerorganisation Kayan ist bekannt für ihre Expertise in der Bekämpfung von Feminiziden und ihre gute Vernetzung mit den Frauen vor Ort. Dank ihrer kontinuierlichen Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung erhalten Frauen einen besseren Zugang zu Unterstützungsangeboten.
Kayans Einsatz gegen Feminizide
Die Frieda-Partnerorganisation Kayan geht jedem Fall von Feminizid nach und verfolgt detailliert und hartnäckig, wie Behörden, Medien und Gerichte mit den Verbrechen und den Tätern umgehen. Kayans Forschung und zahlreiche internationale Studien zeigen: Es gibt kein spezifisches Profil einer Frau, die ermordet werden könnte. Frauen sind in Gefahr, weil sie Frauen sind. 60 Prozent der im Jahr 2020 ermordeten Palästinenser*innen hatten vor ihrer Ermordung bei der Polizei Anzeige wegen Gewalt erstattet. Die Untätigkeit von Polizei und Behörden bei Anzeichen von Feminiziden und allgemein bei Gewalt gegen Frauen sowie der lasche Umgang mit Tätern tragen wenig dazu bei, die Gewalt zu verhindern. Denn die Täter können sich sicher sein, dass sich die Staatsanwaltschaft oft auf Vergleiche einlässt, welche die Schwere des Delikts vermindern (z. B. Anklage nur auf Totschlag statt auf Mord) und dass sie zu milde Strafen ansetzt. Dieses Verhalten ist Teil der patriarchalen Gesellschaftsstruktur, welche die gesellschaftlich gewollte Unterlegenheit und Unterordnung der Frau gegenüber dem Mann aufrechterhält und Gewalt gegen Frauenlegitimiert. Daher betont Rafah Anabtawi, Direktorin von Kayan: «Es ist von grösster öffentlicher Bedeutung, dass diese Informationen [über die Feminizide] veröffentlicht werden, damit die Behörden für ihr Verhalten in Bezug auf die Feminizide zur Rechenschaft gezogen werden können.»

Auf drei Ebenen gegen Feminizide
Um geschlechtsspezifische Gewalt an Frauen und Feminizide zu verhindern, verfolgt Kayan einen ganzheitlichen Ansatz. Auf individueller Ebene (Mikroebene) ist die Organisation mit einer Notfall-Hotline für Betroffene von sexualisierter Gewalt sowie deren Angehörige da und begleitet sie psychosozial sowie juristisch. Mithilfe von Workshops in Schulen und Lokalgruppen sensibilisiert Kayan zu Frauenrechten und Gleichstellung, informiert über Hilfsangebote und trägt so dazu bei, die Gefahr von sexualisierter Gewalt und Feminiziden zu reduzieren. Auf der Netzwerkebene (Mesoebene) verfolgt Kayan genauestens, wie die israelische Polizei und Gerichte Feminizide behandeln und dokumentiert die steigende Zahl der Fälle. Auf der obersten, der Makroebene, lobbyiert Kayan bei den staatlichen israelischen Behörden für die Einhaltung internationaler Verträge – insbesondere das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW). Kayan gründete dazu im Mai 2020 die Fada Coalition of Palestinian Women Against Violence: Die Koalition vereinigt palästinensische Frauengruppen aus dem Westjordanland, dem Gazastreifen, Ostjerusalem und Israel. Ziel des Zusammenschlusses ist es, alle Gesellschaftsbereiche bei der Verhinderung von Gewalt an Frauen in die Verantwortung zunehmen. Durch Lobbying, Advocacy-Arbeit und Medienkampagnen hat die Koalition bereits Millionen von Menschen erreicht, um Feminizide in Zukunft zu verhindern.
Erfahre mehr zu Friedas Partnerorganisation
Hier gib'ts weitere Informationen zu Friedas Projekt in Israel. Hier erhalten gewaltbetroffene Frauen und Mädchen Informationen, Beratung über Schutzmöglichkeiten und Rechtshilfe.
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